Gierig nach Geld, Besitz, Ruhm, usw. (Bild von Kirill auf Pixabay)
Gierig nach Geld, Besitz, Ruhm, usw. (Bild von Kirill auf Pixabay)

Gier - Kernproblem von Umweltzerstörung und Klimawandel

Gedanken, fußend auf meiner Ansprache zum Weihnachtskonzert des Musikverein Zeitvertreib am 26.12.2022, an dem ich immer für die Moderation und den spirituellen Teil zuständig bin. 

 

 

Ich mach, was ich will!

 

Wenn jeder macht, was er will und sich so auslebt, dann hat das natürlich Folgen für die Gesellschaft und für unseren Planeten. Im Text Don´t  stop me now von Queen geht es darum, sich auszuleben und dabei nicht aufgehalten zu werden. Und das war der Aufhänger für meine spirituellen Gedanken.

 

Sicher ist es wichtig, sich selbst zu verwirklichen und auszuleben, aber mit Maß und Ziel. Entscheidend ist das Maß und die Ausgewogenheit zu den Rahmenbedingungen unseres Lebens. Wenn jeder nach dem Motto handelt, „ich lebe mich aus, wie ich will“, kann dabei viel kaputt gehen. Bei einer solchen Lebenshaltung brauchen wir uns nicht wundern, dass wir heute da stehen, wo wir stehen, nämlich am Abgrund!

 

Irgendwie passt das natürlich in unsere Zeit. Wir wissen ja, dass heute "jeder" höchst kompetent ist und wenn nicht das Maß aller Dinge, dann zumindest maßlos von sich überzeugt ist. Das fängt in der Politik bei Leuten wie Trump an und hört in der Wirtschaft auf, die ihre Ziele oftmals mit einem Heer von Lobbyisten und Influencern und Säcken voll Geld – ein Blick nach Brüssel lohnt sich hier - durchsetzt. 

 

 

Gier - die unsichtbare Unbekannte

 

Eine solche Haltung nennt man "Gier".  Nach  Oxford Languages ist Gier ein "heftiges, maßloses Verlangen".  Will da jemand behaupten, frei davon zu sein? Wir alle sind davon betroffen. Kein Wunder, dass sich die Weltreligionen mit diesem zentralen Aspekt beschäftigt haben und beschäftigen müssen. 

 

Gier kann man nicht sehen. Sie ist unsichtbar und nicht beweisbar wie der Heilige Geist, wie Gott, wie Wunder, wie der Glaube, wie Vertrauen, wie Hoffnung, wie Liebe. - Aber ganz offensichtlich gibt es sie. Und ich frage mich, sind es nicht die  Auswirkungen der menschlichen Gier, die diesen Planeten zugrunde richten? Weil zu viele ein entsprechendes Maß an Wohlstand wollen, rücksichtslos mit ihren Ressourcen umgehen, verantwortungslos die eigenen Möglichkeiten einsetzen, und grenzenlos nach Reichtum, Besitz, Macht, Anerkennung ... streben?    

 

 

Gier - Buddhismus 

 

Die großen Religionen kennen dieses Phänomen natürlich. Der Buddhismus z.B. gründet sich auf vier von Buddha formulierten Hauptsätzen, sog.  "edle Wahrheiten". In der Quintessenz geht es darum, wie die menschliche Lebensgier (Lebensdurst) überwunden werden kann. Wer die Gier wie Buddha als Wurzel allen Leides erkannt hat, sollte sich demnach im 8-fachen Pfad üben, um Herr im eigenen Haus zu sein und nicht fremdbestimmt zu werden. 

Die zweite edle Wahrheit bezieht sich auf die Ursache des Leides (zitiert nach Wikipedia "Vier edle Wahrheiten"):   

 

 „Es ist dieser ‚Durst‘ (tanha), der neues Dasein und Wiedergeburt erzeugt und mit leidenschaftlicher Gier verbunden ist, der hier und da sich ergötzt in Form von:

Durst nach den Lüsten der sechs Sinne (kāma-tanhā, im Buddhismus werden sechs Sinne betrachtet)

Durst nach Dasein und Werden (bhava-tanhā)

Durst nach Nicht-Dasein, Selbstvernichtung (vibhava-tanhā)"

 

 

Gier im Christentum 

 

Natürlich kennt auch das Christentum das zerstörerische Phänomen der Gier und hat sich damit auseinandergesetzt. Viele Geschichten beschäftigen sich damit, z.B. das Gleichnis vom reichen Kornbauern Lk 12, 18-22. Die Quintessenz dieses Gleichnisses liegt darin, dass einer genug hat, aber immer noch mehr will.  

Interessanterweise lässt das Markusevangelium das Auftreten Jesu mit einer kompakten Zusammenfassung seines Auftrages beginnen, Mk 1,15: „Tut Buße“ - und damit die Aufforderung an uns: Ändert Euch! Eine sehr grundsätzliche Botschaft, in der Tragweite  nicht unähnlich den vier edlen Wahrheiten des Buddhismus.  Mit dem Aufruf zur Buße geht es um eine grundlegende Haltung, die sich ganz sicher nicht am Ausleben der Gier orientiert, sondern wie im buddhistischen Denken eine Ausrichtung und Auseinandersetzung mit mir selber fordert.

 

Die Gier in uns lässt sich nicht durch Äußerlichkeiten befriedigen, wie wohl sie nach Äußerem strebt. Da braucht es eine innere, wohl immer wiederkehrende  Auseinandersetzung.  In Bezug auf unsere Klima- und Umweltproblematik auf technische Fortschritte als Lösungsweg zu setzen ohne Veränderung unserer inneren Haltung, halte ich für unzureichend. Denn bisher wurde jede Technik auch von der Gier instrumentalisiert. Eines ist für mich klar: die Gier lässt sich vom technischen Fortschritt oder hehren rational verfassten Bekundungen  nicht im Geringsten beeindrucken. Gier ist eine innere Angelegenheit, die sich mit äußeren, materiellen Dingen oder rationalen Setzungen nicht ansatzweise in Schranken halten lässt.

 

Deshalb lohnt es, sich religiösen Systemen zuzuwenden und mit deren Erkenntnissen und spirituellen Gedanken dazu auseinanderzusetzen. Soweit wir das Leben Jesu kennen, konnte er meisterhaft mit dieser Gier umgehen. Und selbst die "letzte Generation" hat das kapiert, die ihr Störungsvorhaben des ev. TV-Weihnachtsgottesdienstes 2022 in Stuttgart mit dem Ruf Jesu zur Umkehr begründete.  

 

 

Gier als menschliches Grundproblem 

 

Bei der schon angesprochener Moderation des Weihnachtskonzertes in Ulsenheim verwies ich auf die Nürnberger Nachrichten (NN) vom 25. und 26. Dezember 2022.:

"Vielleicht wart ihr auch von der Wochenendausgabe der NN überrascht. Selbst hartgesottene Kirchenkritiker wie Alexander Jungkunz haben auf einmal durchaus anerkennende Worte für die Kirche übrig. Ich denke, sie merken - wie die letzte Generation -, dass Glaube, Heiliger Geist, Gott der Schöpfer und der Auferstandene Jesus Christus den oftmals so egoistischen Menschen erreichen und verändern können. Und es hat mich tief berührt, was ukrainische Flüchtlinge den NN sagten: Wenn der Glaube zusammenbricht, dann ist ohnehin alles aus!"

 

Wir alle, ich eingeschlossen, stehen unter dem Einfluss von Gier und sind nicht davon gefeit. Wenn wir die drohende Gefahr des Klimawandels mit all seinen Folgen sinnvoll begegnen wollen, reicht es nicht aus, auf technischen Fortschritt zu hoffen oder aufgrund des Energieengpasses einen sorgfältigeren Umgang damit anzumahnen oder per Gesetz vorzuschreiben. Wer das Problem an seinen Wurzeln packen will, muss sich mit der allzu menschlichen Gier auseinandersetzen, muss die Psyche des Menschen mit einbeziehen, und da hätten die alten Religionen viel zu bieten.  

 

Eingestellt: 221229

© Dr. Wolfgang Kornder