Rotwildwgatter im NP Bayerischer Wald, hier im Sommer
Rotwildwgatter im NP Bayerischer Wald, hier im Sommer

Zum Rotwildabschuss im Wintergatter

 

Eine Vorbemerkung ist nötig, da ja der ÖJV gerne missverstanden wird: Wir sind gegen Wintergatter, weil diese Krücken sind, die Probleme zementieren, ja sogar schaffen. Dort, wo es angepasste Wildbestände gibt, braucht man keine Wintergatter, auch nicht im Gebirge. Nun gibt es aber diese Wintergatter nicht nur in Bayern, aber auch dort. Und so müssen wir mit dieser Realität leben und umgehen.

 

Als unlängst die TBC-Problematik bei Nutzvieh und dem frei lebenden Rotwild erkannt wurde, waren auch Einzelabschüsse in Rotwild-Wintergattern vorgesehen. Aufgrund massiver PR-Kampagnen gegen diesen Wintergatterabschuss von Rotwild auf Grund der TBC-Problematik entstand bei manchen Jägern, Tierschützern und in Teilen der Öffentlichkeit der Eindruck, dass der Gatterabschuss, oftmals von höchsten Verbandsvertretern als „Keulungsabschuss“ tituliert, absolut konträr zum Tierschutz stehe. Und niemand wagte es, hier wirklich dagegen zu halten, weil jedermann die mächtige Lobby der beteiligten Verbände fürchtete. So wurden zwar dennoch einzelne Wintergatterabschüsse getätigt, aber jedermann war darauf bedacht, dieses Thema möglichst schnell wieder loszuwerden und am besten zu tabuisieren. Vermeintlich damit verbundene „Panik“ in Gattern oder einen scheinbar gefühllosen „Keulungsabschuss“ – wer will das schon?

 

Als sich das Ganze etwas beruhigt hatte, begann ich nachzudenken, zu resümieren und mich kundig zu machen.

 

Als erstes stellte ich fest, dass es in Bayern allein ca. 2500 Wildgatter unterschiedlicher Größe gibt, teils relativ klein, teils deutlich größer als die meisten Rotwild-Wintergatter. In manchen dieser Gatter ist das Wild handsam, in manchen genauso scheu oder vertraut, wie das je halbjährig frei lebende bzw. halbjährig in Wintergattern gehaltene Rotwild. Und so fragte ich mich, wie man in den landwirtschaftlichen Wildgattern das dortige „Wild“ tötet. Die einhellige Antwort – weil gesetzlich gar nicht anders erlaubt – war, dass es geschossen wird.

 

Das machte mich schon nachdenklich. Noch mehr, dass die Errichtung von solchen Wildgehegen nicht nur im Tierschutzgesetz (zweiter Abschnitt § 11), sondern auch im Bayerischen Jagdgesetz Art. 23 geregelt ist. Schaut man dann weiter zu „7824-L Richtlinien für die Haltung von Dam-, Rot-, Sika- sowie Muffelwild (GehegewildR)“ so liest man dort unter Anlage 4 Unterpunkt 3. und 4.: „Gehegewild darf nur durch den Büchsenschuss getötet werden.“ Das wird dann hinsichtlich der Umstände noch präzisiert. Da gibt es ballistische Mindestanforderungen wie im Jagdgesetz. Bei Damwild aber genügt unter bestimmten Umständen demnach sogar das Kaliber 5,6mm mit mindestens 300 Joule Mündungsenergie. Man fragt sich unwillkürlich: kann und darf das sein, dass eine angeblich völlig tierschutzwidrige Tötung in Gattern überhaupt erlaubt, geschweige denn vom Staat vorgeschrieben ist?

 

Solchermaßen verunsichert machte ich mich auf und befragte Wildgehegehalter und dafür zuständige staatliche Stellen. Und die Überraschung war groß: Alle berichteten übereinstimmend, dass es dabei absolut tierschutzgerecht zugehe. Meist werden die ausgewählten Tiere in einem separaten Gatter abgetrennt und dort dann mit einem gezielten Schuss getötet. Alle Befragten sagten, dass dies völlig unproblematisch und absolut tierschutzgerecht sei.

 

Etwas irritiert machte ich mich auf und befragte die Praxis im Nationalpark Bayerischer Wald. Dort wird, wie jedermann bekannt ist, schon sehr lange Rotwild in Wintergattern reduziert (s. Artikel in dieser Ausgabe der ÖkoJagd). Das Vorgehen unterscheidet sich nicht von dem in Wildgehegen, nur mit dem Unterschied, dass im NP dies grundsätzlich in Vorgattern erfolgt und dabei die nach dem Jagdgesetz vorgeschriebenen Kaliber verwendet werden (müssen). Das Rotwild wird separiert und dort in Ruhe, mit einem gezielten Schuss erlegt, Familienverbände werden geschlossen getötet, ein Problem mit verwaisten Kälbern kommt erst gar nicht auf. Jedes Stück kann sauber angesprochen werden. Es gibt kein angeschossenes Stück Rotwild, das flüchtig abgeht. Mehr Tierschutz ist nicht möglich!

 

Dann machte ich mich auf und forschte bei Berufsjägern, die an Wintergatterabschüssen beteiligt waren, und bei Betriebsleitern der BaySf nach, welche Erfahrung beim Einzelabschuss in Rotwild-Wintergattern während der TBC-Untersuchungszeit gemacht worden waren. Es bot sich das gleiche Bild: Berufsjäger, die direkt den Abschuss getätigt hatten, berichteten mir, dass dies völlig ohne Panik oder anderen Schreckensszenarien abgelaufen ist. Sicher könne man eine solche erzeugen. Wer eine Panik in einem Rotwildgatter haben will, aus welchen Gründen auch immer, der bekommt sie dort genauso wie in anderen Wildgatter. Aber die Erfahrungen der verantwortungsvoll wahrgenommenen Einzelabschüsse (ohne Vorgatter!) war bei den von mir Befragten eine andere. Bei behutsamen Vorgehen und der Verwendung von Schalldämpfern lief das alles ohne größere Beunruhigung.

 

Resümee

Wenn ich das zusammenfasse, ergibt sich ein klares Ergebnis: Der verantwortungsvoll wahrgenommene Abschuss im Gatter, auch im Wintergatter, ist tierschutzgerecht. Das ist ja auch nachvollziehbar:

- Man kann jedes Stück in Ruhe und bei besten Lichtverhältnissen sauber ansprechen.

- Man steht nicht unter Zeitdruck.

- Man kann Familienverbände erlegen, ohne dass verwaiste Kälber zurück bleiben.

- Das Anschießen von Rotwild ist so gut wie ausgeschlossen, und wenn es doch passieren sollte (mir wurden keine Fälle bekannt!), kann das betreffende Stück im Gatter unmittelbar darauf erlegt werden.

 

Zudem könnte man durch den Wintergatterabschuss zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn ganz abgesehen von den Überlegungen zum Tierschutz hätte der Wintergatterabschuss positive Auswirkungen auf das Zeit- und das Raumverhalten des Rotwildes.

- Rotwild, das z.B. nicht mehr kontinuierlich in äsungsreichen Bereichen vom Ansitz aus bejagt wird, braucht nicht mehr nachtaktiv werden.

- Und Rotwild, dem in den günstigen Lebensbereichen weniger nachgestellt wird, kann sich dort wieder einstellen.

Insgesamt wird damit Rotwild eben auch sichtbarer. Das wollen doch alle, oder?

 

Wir wissen, dass die Jagd auf Rotwild durch verschiedene Kräfte mit vorgeschobenen Tierschutzgründen zunehmend erschwert wird. Die Folge davon, nämlich ein weiteres Anwachsen der Rotwildbestände in bestimmten Bereichen Bayerns und die damit verbundenen Schäden, vor allem am Schutzwald im Gebirge, bekommen wir jetzt schon zu spüren. Was spricht dagegen, die Reduzierung überhöhter Rotwildbestände absolut tierschutzgerecht in den ohnehin vorhandenen Gattern vorzunehmen?

 

Dr. Wolfgang Kornder

(Vorsitzender ÖJV Bayern)

 

Der Artikel ist in der ÖkoJagd 4-2015 S. 35 – 37 abgedruckt.

 

Aktualisiert: 160210