Wasser, Abendstimmung, Weite - Kontemplation heißt "schauen"
Wasser, Abendstimmung, Weite - Kontemplation heißt "schauen"

Kontemplation

 

Wohl für die meisten ist das ein unbekanntes Fremdwort! Das Wort kommt vom lateinischen „contemplari“ und heißt „schauen“. Der Begriff wurde von den christlichen Mönchen geprägt, die die Kontemplation übten. Innerhalb des christlichen Gebetes unterschied man drei Stufen:

1. Das gesprochene Gebet (oratio)

2. Die Betrachtung eines Gegenstandes, Bildes, Textes (meditatio)

3. Und die gegenstandslose Meditation, die Kontemplation (contemplatio)

 

Diese drei Stufen wurden ursprünglich nur von den Mönchen geübt. Martin Luther hat selbstverständlich alle drei Formen gepflegt und in der „Meditation“ seine bahnbrechende Entdeckung gemacht, die zum Ausgangspunkt der Reformation wurde. Im Laufe der Jahrhunderte nach Luther gerieten in der evangelischen Kirche stärker wie in der katholischen die Pflege der Meditation und Kontemplation weitestgehend in Vergessenheit.

 

Im Zuge der Öffnung der katholischen Kirche mit dem 2. Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) wurde über die Begegnung mit den Meditationsformen des Ostens, vor allem des Zen-Buddhismus, die christliche Meditation und Kontemplation wieder entdeckt und belebt. Kontemplation ist eine Methode, ein Weg, äußerlich kurz und umfassend beschrieben als schweigendes Sitzen in der Stille. Ich nehme nichts mehr her, was ich in der Hand halten, vor den Augen sehen oder mit den Ohren hören kann. Ich sitze sozusagen ohne Gegenstand „leer“ in der Stille, bin nicht mehr aktiv, öffne mich und lausche und bin bereit auf das zu warten und nach dem zu „schauen“, was hinter dem Gegenständlichen, was hinter den Begriffen liegt, um dort in der letzten Tiefe Gott zu finden.

 

Ein Kernproblem ist dabei: Ich muss mich selber aushalten, so wie ich geworden bin, mich auf meinem Lebensweg entwickelt habe, mit all meinen Stärken, Fehlern, Irrungen und Wirrungen. Das ist kein einfacher Weg. Die meisten halten Stille und sich selbst oftmals keine fünf Minuten mehr aus. Im schweigenden Sitzen klärt sich so manches und wir stoßen auf den Kern, der uns wesentlich ausmacht, zu dem, was wir eigentlich sind, zu unserem „Selbst“, wie die Mönche sagten. Das oberflächliche, egoistische mit all seiner Geltungssucht, der Gier nach Besitz, Reichtum und Ansehen wird sozusagen geläutert, ein harter, biblisch angelegter Prozess: „Wenn jemand mit mir gehen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Mt 16,24) Das ist Nachfolge. In diesem Prozess kann letztendlich Gott „geschaut“ werden.

 

Meine Frau Irene und ich pflegen die Kontemplation seit weit über 25 Jahren. Wir sitzen in der Regel jeden Abend etwa 15 Minuten. Damit beschließen wir den Tag, kommen zur Ruhe, klären uns und öffnen uns so dem Leben. Wir möchten die Kontemplation nicht mehr missen und wenn wir ein paar Tage schludern, merken wir, dass uns etwas fehlt. Kontemplation ist ein Weg, ein Lebensweg, der tagtäglich gegangen werden will.

 

So ein Weg lässt sich auch nicht in einem kurzen Artikel umfassend beschreiben. Aber wer Lust bekommen hat, diese Art des christlichen Gebetes näher kennen zu lernen, sollte einen erfahrenen Lehrer/eine erfahrende Lehrerin suchen und sich einweisen lassen.

 

141227

Aktualisierung 141227

© Dr. W. Kornder