Materielle Absicherung und spirituelles Leben in eine Einheit zu bringen ist eine, eigentlich "die" Lebensaufgabe. (Die Abbildung stammt aus dem Benediktushof.)
Materielle Absicherung und spirituelles Leben in eine Einheit zu bringen ist eine, eigentlich "die" Lebensaufgabe. (Die Abbildung stammt aus dem Benediktushof.)

Das Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lk 12, 15-21)

 

15 Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.

16 Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen.

17 Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle.

18 Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte

19 und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!

20 Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?

21 So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.

 

 

In der Erntedankpredigt am 4. Oktober 2015 habe ich zum Gleichnis vom reichen Kornbauern gepredigt. Anbei einige Gedanken: 

 

Dass der Mensch auf Essen und Trinken, auf die Befriedigung von Primärbedürfnissen angewiesen ist, steht nicht zur Diskussion.  Eine grundlegende materielle Absicherung gehört zu den Menschenrechten. 


Schwierig ist es hingegen, eine sinnvolle Balance zwischen der materiellen Absicherung und dem, was der innere Mensch braucht zu finden. Wenn der Schwerpunkt im Materiellen liegt, redet die Bibel von "Habgier". Die "Seele" "verkümmert" dann, weil sie zu kurz kommt. Das ist das große Thema dieses Gleichnisses.


Im griechischen Bibeltext steht für "Seele" der Begriff "psychä" (Psyche), also der Begriff, der in "Psychologie" oder in "Psychotherapie" enthalten ist. Das Innere, das "Leben" - so moderne Übersetzungen - ist hier angesprochen. Und genau das kommt beim reichen Kornbauern - und wohl bei vielen von uns - zu kurz.

- Interesanterweise befinden wir uns da noch in einem profanen Bereich, der zunächst gar nichts mit Religion oder Glaube oder Spiritualität im engeren Sinne zu tun hat. Der reiche Kornbauer will seine "Psyche" mit Materiellem "füttern". Das funktioniert einfach nicht und zieht Verkümmerungen bis hin zur Hartherzigkeit oder gar psychische Schäden bis hin zu Depression oder anderen Störungen nach sich.

- D.h. aber umgekehrt, dass die Sorge um unsere "Seele" unegachtet einer Jenseitserwartung für das Leben hier und jetzt grundlegend ist.

 

Noch interessanter wird es, wenn man den hebräischen Begriff betrachte, den Jesus, der ja kein Wort griechisch sprach, verwendet haben dürfte: "nefesch". Dieses Bildwort bezeichnet eigentlich die "Gurgel" - da geht sozusagen ums "Füttern", denn zur Eigenart der Gurgel gehört es, dass da immer wieder Essen und Trinken hindurch gehen muss, sonst stirbt der Mensch. Ein wunderschönes Bild, das sich da auftut: unsere Seele ist wie eine Gurgel, die immer wieder, die kontinuierlich Nahrung braucht, Nahrung, die ihr gut tut.

 

Um die Pflege, um die rechte Nahrung für dieser "Gurgel" geht es lebenslang. Das ist die Aufgabe der Spiritualität.


 

Aktualisiert: 151005