Lebensraumgestaltung oder Schaden? - Hier eine eher rhetorische Frage.
Lebensraumgestaltung oder Schaden? - Hier eine eher rhetorische Frage.

Lebensraumgestaltung, Störung oder Schaden?

Was ist "Schaden", was "Störung", was "Lebensraumgestaltung"?

 

Eine entscheidende Frage, an der sich die Geister hinsichtlich der Auswirkung von Wild scheiden. Nehmen wir das Bild rechts. Ein Maisstengel, der von Schwarzwild abgebissen wurde. Für den Landwirt ist es eindeutig ein Schaden - völlig unabhängig von der Höhe. Weil es an landwirtschaftlichen Flächen Schäden geben kann, wird das hauptsächlich dafür in Frage kommende Wild, in diesem Fall das Schwarzwild, bejagt. Ziel ist es dabei, die Schäden zumindest zu minimieren. 

 

Nach juraforum (http://www.juraforum.de/lexikon/schaden, abgegriffen 170930) ist ein Schaden folgendermaßen definiert: "Ein Schaden ist ganz allgemein definiert als ein Nachteil, der durch Minderung oder Verlust an materiellen oder immateriellen Gütern entsteht."

 

Schaden hat demnach etwas mit "Gütern", mit Besitz zu tun. Und auf dieser Basis klagen Landwirte, Waldbauern, Verkehrsteilnehmer mit Wildunfällen oder wer auch immer über Schäden mit Wild.

 

 

Im Naturschutz

 

Nun lässt sich aber in der Natur nicht oder nur sehr bedingt oder völlig gegensätzlich definieren, was als "Nachteil",  angesehen wird oder was als "Schaden" gilt. Dort, wo man Natur-Natur-sein-lassen kann, wo man Prozessschutz will, gibt es eigentlich keinen Nachteil oder Schaden. Man verharrt wertneutral. Das, was sich dort durch Einfluss z.B. von Schalenwild entwickelt, kann durchaus verändern und wird dann als "Lebensraumgestaltung" gesehen. Die Megaherbivorentheorie (die nicht überall mitgetragen wird) bewegt sich auf dieser Basis. 

 

Schwierig wird es, wenn die  Lebensraumgestaltung mit dem Kulturraum kollidiert. Ein gutes Beispiel ist hier der Biber, der eine faszinierende Lebensraumgestaltung betreibt, damit aber an bestimmten Punkten, z.B. in Kläranlagen, an Gewässerrändern, auf Feldern oder an Teichen teils erhebliche Schäden produziert. 

 

Doch selbst wenn wild lebende Tiere auch außerhalb der Kulturlandschaft ihren Lebensraum so gestalten, wie dieser naturgemäß nicht sein würde, ist das irgendwann nicht mehr als Lebensraumgestaltung anzusehen. Da kann dann die Lebensraumgestaltung zur "Störung" werden. Ein Beispiel wäre der Einfluss von Schalenwild in Nationalparks, also in einem Bereich mit Prozessschutz, in dem die Besitzfrage oder eine materielle Schadensfrage völlig außen vor sind.  

 

 

"Lebensraumgestaltung" im Schweizer Nationalpark?

 

August 2017 waren meine Frau und ich fast drei Stunden in ein Tal bei S-chanf hinein gewandert. Ziemlich am Ende war Rotwild zu sehen, nicht nur einzelne Tiere, sondern ein Großrudel, weit über 100, vielleicht knapp 200 Stück! (S. dazu das etwas verwackelte Video unten). Neben dem Kahlwildrudel war auf der Hochfläche gelegentlich noch ein einzelne Exemplare eines Hirsch-Rudels zu sehen. Während alle Betrachter begeistert waren, tauchten in mir zunehmend Fragezeichen auf: 

 

- Sind solche hohen Rotwildbestände noch natürlich?

- Und warum gab es neben den alten Lärchen in dieser Höhe (etwa 2000 m), die ja irgendwann einmal gewachsen sein müssen, keine Verjüngung? Und das obwohl sich aufgrund des Klimawandels die Baumgrenze nach oben schiebt? 

-  Wo sind diese hohen Rotwildbestände im Winter, wenn da oben meterhoch Schnee liegt? 

 

Und als ich dann später nachforschte:

- Das Rotwild war zur Gründungszeit des NP´s ausgerottet. Ein Jahr danach stellte sich erstmals wieder Rotwild ein. Da es keine natürlichen Feinde hatte und auch heute kaum hat, breitete es sich bis zur jetzigen  Größenordnung aus. 

- Das Rotwild wandert im Winter auch in die angrenzenden Gebiete ab - und macht dort natürlich zunehmend "Schäden". Und während die Einen in der Schweiz davon begeistert sind, dass sich das Rotwild in der gesamten Schweiz ausbreitet, klagen die Anderen über zunehmende, in ihren Augen untragbare Schäden.

- Die alten Lärchen stammen noch aus dieser Gründerzeit. Naturverjüngung kann sich zumindest in diesem Bereich offensichtlich nicht etablieren. 

 

Mir kamen dazu weitergehende Fragen:

- Ist das noch Lebensraumgestaltung? Oder Störung? 

- Und was ist mit den dadurch verursachten Schäden in den Wintereinständen außerhalb des Nationalparks?

- Und wie würden sich die Rotwildbestände (man geht von 2000 Stück (!!!), die im Winter abwandern,  [http://www.nationalpark.ch/de/flora-und-fauna/tiere/rothirsch/]) aus, in einem NP mit 170 Quadratkilometern)  und die gesamte Flora entwickeln, wenn flächig Großprädatoren vorhanden wären?

 

Meine Bedenken sind im NP durchaus bekannt. Beispielhaft darf ich auf den Eintrag in Wikipedia hinweisen: "Während der Gämsenbestand fast unverändert geblieben ist, hat sich die Zahl der Hirsche und Rehe seit der Parkeröffnung deutlich erhöht. Verbissschäden treten insbesondere durch den im Winter erhöhten Schalenwildeinstand auf." (Schweizer Nationalpark, Wikipedia, abgegriffen 171001)

 

 

Eingestellt: 170930

Aktualisiert: 180817

© Dr. W. Kornder