Rundbrief-4, 01.11.2014

 

Irene und Dr. Wolfgang Kornder

Lehrer der Kontemplationslinie

„Wohnraum des Göttlichen“

Ulsenheim 23

91478 Markt Nordheim

09842/8870

w.kornder@t-online.de

www.wolfgang-kornder.de

 

Liebe Weggefährten und Weggefährtinnen,

 

mit dem November befinden wir uns in der dunklen Zeit des Jahres. Diesiges, dunkles Wetter, kürzer werdende Tage, lange Nächte, dazu noch die Sommerzeitumstellung, es ist klamm und wird kälter. Kurzum: irgendwie unangenehm. Unsere Kirchen haben in diesem Monat die ernsten, schweren Themen angesiedelt: Tod, Ewigkeit, Buße und Beten …

Mir gefällt der November, denn zum einen ist es die eigentlich „stille“ Zeit des Jahres, zumeist deutlich stiller als die vermarktete und ereignisreiche Adventszeit. Zum anderen kommt damit eine Seite zu ihrem Recht, die in unserer modernen Zeit eigentlich „out“ ist. Ich meine unsere Schatten, die wir mit uns herumtragen, das Unbewältigte, das uns unsicher oder sogar Angst macht, das weniger Schmeichelhafte, das bei uns mitschwingt, die Misserfolge, die uns niederdrücken und entmutigen, Neid, den wir gegenüber anderen hegen, Gier, die in uns hochkommt …. – Alles Dinge, die in einer Welt der Strahlemänner und –frauen, in der Welt  ständiger Jugend, Schönheit und des Erfolgs keinen Platz mehr finden – und sich dann über Umwege Bahn brechen und Sinnleere, Gewalt, Leid und Unmenschlichkeit produzieren.

 

Je länger ich meditiere, desto besser geht es mir damit, diese dunkle Seite in mir anzuschauen, sie zu-zu-lassen, sie nicht zu verdrängen oder zu verleugnen. Sie gehört zu mir. Und je bewusster ich sie wahrnehme und damit umgehe, desto mehr verliert sie ihren Schrecken, integriert sie sich in das Gesamtbild, dessen helle Seiten dadurch deutlicher hervortreten, so wie man das Licht und die Faszination der Sterne eben nur in der Nacht sieht. Es nimmt mir den Druck, perfekt zu ein, wie der „liebe Gott“. Das ist ein guter Ausgangspunkt, ganz Mensch zu sein.

 

Manchmal habe ich den Eindruck, dass Meditation als Vehikel angesehen wird, den irdischen Sphären zu entfliehen und „erleuchtet“ über die Welt zu schweben. cool, überlegen, über den Dingen – das Ego lässt grüßen!

 

In der Bibel finden sich viele Weisheiten, die sich mit unserem Ego und seinem Schatten beschäftigen, z.B. die Geschichte, dass wir den Schatten lieber beim Anderen sehen als bei uns: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr?“ (Lk 6,41).

 

Kontemplation ist keine Weltflucht. Kontemplation macht keinen „Star“ aus uns. Kontemplation lässt uns klarer sehen, hören, wahrnehmen und hilft uns damit, die dunklen Seiten zu sehen, sie anzunehmen und mit ihnen umzugehen. Am besten wäre es, sie zu integrieren.

 

Die Novemberzeit kann uns dabei helfen. Und je klarer wir dabei werden, desto offener sind wir für das, was danach auf uns zukommt, desto offener sind wir für „Advent“.  

 

Wir wünschen Euch allen stille Tage

für fruchtbare, innere Prozesse

in der dunklen Jahreszeit.

Irene und Wolfgang

 

© Dr. W. Kornder

 

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Rundbrief Nov. 2014: Umgang mit dem Leid
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