31. Weihenstephaner Forsttag

Ökologische Waldwirtschaft – Königsweg für Wälder im Klimawandel?

Freising 26.11.2021

 

 

Eine Nachlese

 

Der Weihenstephaner Forsttag 2021 hat ein aktuelles, hochbrisantes Thema aufgegriffen und die Referenten und Gesprächsteilnehmer deckten die Pole der derzeitigen gegensätzlichen Situation ab. So diskutierten Prof. Dr. Ibisch von der Hochschule Eberswalde mit Prof. Dr. Ammer von der Uni Göttingen und Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland mit Josef Ziegler vom bayerischen Waldbesitzerverband. Schon in dieser Zusammenstellung war die Spannung des Themas „Ökologie und Nutzung“ angelegt.

 

Ein Einleitungsreferat hielt Prof. Dr. Manfred Schölch, FH Weihenstephan. Dabei gab er einen Abriss der Entwicklungen und eine Beschreibung,  was „Ökologische Waldbewirtschaftung“ derzeit ausmache. Er wurde am Ende der Veranstaltung zusammen mit dem leider erkrankten Prof. Dr. Dieter Rommel in den Ruhestand verabschiedet. Jens Schröder, Chefredakteur von GEO, plauderte - manchmal etwas flapsig und spitz - über die Unterstützung des neuen Studienganges „Ökologische Waldbewirtschaftung“  durch GEO und rechtfertigte diese Parteinahme einer Zeitschrift damit, den Diskussionsprozess zu beschleunigen. Prof. Dr. Knoke von der TUM, der für den erkrankten Prof. Rommel kurzfristig eingesprungen war, sprach über Waldbewirtschaftung aus ökonomischer Sicht, rein betriebswirtschaftlich, was in das fokussierte Thema der Ökologie nicht hineinzupassen schien, letztlich aber durchaus stimmig dazu gehörte.

 

Meine Anerkennung der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT), die ein derart emotional und (scheinbar) kontrovers besetztes Thema aufgegriffen hat. Insgesamt erlebten wir eine interessante und faire Veranstaltung. Gegenseitiger Respekt wurde weitestgehend gepflegt.

 

 

Wertschätzung, ökologische Grundlagen und normative Vorgaben

Am meisten war ich auf das Gespräch zw. Prof. Ibisch und Prof. Ammer gespannt. Beide führten einen klaren, im Wesentlichen wertschätzenden Dialog. Interessanterweise brachten sich Förster:innen aus dem Plenum ein, die genau diese Ebene der Wertschätzung zur Sprache brachten: Durch die oftmals pauschale und ungerechtfertigte Abwertung von Förster:innen und deren Arbeit durch Peter Wohlleben und anderer aus diesem Kreis fühle man sich verletzt und so werde das Klima vergiftet. Ein Thema, das sozialpsychologisch hohe Relevanz hat und auf das Prof. Ibisch m.E. wenig sensibel reagierte.

 

Prof. Ammer betonte, dass ökologische Grundlagen in weiten Bereichen der Ausbildung gelehrt werden. Hier ein Defizit der klassischen forstwissenschaftlichen Ausbildung zu deklarieren, gehe an der Realität vorbei. Prof. Ibisch verwies seinerseits darauf, dass in der praktischen Forstwirtschaft bis in unsere Tage noch viel Fragwürdiges ablaufe. Wenn ich das aber richtig sehe, waren sie sich bei der Bedeutung und Darstellung der Waldökologie weitgehend einig.

 

Uneinig waren sich beide über die normativen Vorgaben, die Forstwissenschaft zu leisten habe. Während Prof. Ibisch von der Fortwissenschaft eher richtungsweisende, fast verbindliche Vorgaben erwartet, betonte Prof. Ammer das Angebot von fachlich fundierten Möglichkeiten, anhand derer sich der jeweilige Eigentümer entscheiden kann.

 

 

Und die Nutzung?

Der Vortrag von Prof. Knoke erweiterte den „rein“ ökologischen Ansatz der Waldbewirtschaftung. Er zeigte dabei auf, dass ökonomisch erfolgreiche Konzepte zwingend die Aspekte der Ökologie (Mischung/Biodiversität) berücksichtigen müssen, um das betriebswirtschaftlich gefürchtete (weil im Extremfall Totalverluste produzierende) Risiko zu minimieren. Es gab dazu keinerlei Rückfragen oder Anmerkungen. Alles schwieg gespannt. Die auffälligste, für mich deutlich wahrnehmbare, wertende  Reaktion war non verbaler Art, indem sich ein Begleiter von Prof. Ibisch mehrmals breit grinsend zu diesem hin umdrehte. Soweit ich das mitbekam, hat dieser aber nicht darauf reagiert.

 

Ich als Laie hatte den Eindruck, dass die konkrete Wirtschaftsform und damit die Nutzung letztlich zentrale Knackpunkte sind. Für mich blieb die von Prof. Ibisch auch für den angedachten Studiengang „ökologische Wald-„bewirtschaftung““ explizit bejaht Nutzung im systemisch-ökologischen Ansatz weitgehend unkonkret. Dass man unsere Wälder „ökologisch“ behandeln kann und was dabei eine Rolle spielt, brachten die Referenten der  unterschiedlichen Seiten – auch der klassischen Forstwirtschaft - überzeugend zur Sprache. Das war nicht der Dissens. Aber völlig offen bleibt letztlich, wie vom einzelnen Waldeigentümer bewirtschaftet wird und wie viel  Nutzung erfolgen kann oder aufgrund der gesellschaftlichen Ansprüche erfolgen „muss“.

 

 

Wo bleibt die Jagd?

Die Schalenwildbejagung – nicht nur aus der Sicht des Ökologischen Jagdvereines „die“ zentrale Voraussetzung für den Waldbau - war in den Referaten und Diskussionsbeiträgen der Referenten nur ganz am Rande zu finden. Erst als aus dem Plenum konkret nachgefragt wurde, kamen dazu eindeutige Aussagen.

-       Im Gegensatz zu Peter Wohlleben, der die Jagd ja abschaffen möchte (ich habe mich in der ÖkoJagd und der AFZ bereits dazu geäußert), sprach sich Prof. Ibisch ganz klar für eine evidenzbasierte Schalenwildbejagung aus. Ohne Schalenwildbejagung hätte Waldverjüngung keine Chance. Er betonte aber zurecht – und damit durchaus im Konsens mit dem ÖJV -, dass weite Bereiche der herkömmlichen Jagd diesem Anspruch nicht gerecht werden und man auf eine solche Jagd verzichten könne.

-       Dass der Waldbesitzerverband eine waldfreundliche Jagd für richtig hält, liegt in der Natur der Sache. Josef Ziegler betonte denn auch auf gezielte Nachfrage hin, dass die Schalenwildbejagung mit der Herstellung angepasster Schalenwildbestände die Grundvoraussetzung für den Waldbau ist. Es wäre aber wünschenswert, dass sich der Waldbesitzerverband für diese Grundaussage auch offensiver einsetzt.

-       Martin Kaiser von Greenpeace, der bei der Benennung von Defiziten wiederholt die unbefriedigende Verbisssituation ansprach, bekannte sich als Waldreferent von Greenpeace eindeutig zur Schalenwildbejagung, da ansonsten die Waldverjüngung keine Chance habe. Aus dem Plenum wurde auch hier angemerkt, dass Greenpeace das auch öffentlich deutlicher vertreten müsse.

 

 

Schlussgedanken

Ob die Ökologische Waldwirtschaft der „Königsweg für die Wälder in der Klimakrise“ sei, wie im Veranstaltungstitel gefragt war, wurde nicht explizit beantwortet. Aber nachdem man sich über das Ökologische im Wald weitgehend einig war und auch die klassische Forstwirtschaft darauf verwies, dass das seit Jahrzehnten auch so in ihrer  Ausbildung seinen Platz habe, legt es sich nahe, diese Frage zu bejahen. Die Nagelprobe, wieviel und welche „Bewirtschaftung“ in unseren „Wirtschaftswäldern“ sein kann oder muss, steht allerdings noch aus. Und ohne angepasste Schalenwildbestände kann man das Ganze ohnehin weitgehend vergessen.

 

Dr. Wolfgang Kornder

(1. Vorsitzender des ÖJV Bayern) 

 

Eingestellt 220201

© Dr. W. Kornder